Das Thing (Ding) - Ältesten-Ratsversammlung der Vollfreien

Das Thing der Germanen galt als Ratsversammlung der Vollfreien. Der Römer Tacticus schilderte die sozialen Verhältnisse erstaunlich genau:„Über geringfügige Angelegenheiten beschließen die Gaufürsten allein, über bedeutendere alle Gemeinfreien. Man kommt, wenn nicht ein überraschendes, dingendes Ereignis eintritt, an festliegenden Tagen bei Neu- oder bei Vollmond zusammen; die Germanen meinen nämlich dies sei die verheißungsvollste Zeit, etwas zu beginnen.“ Das Thing wurde aufgeboten, in dem ein Stab oder ein Hammer durch die Dorfmarken von Hand zu Hand ging.

„Nicht auf einmal und nicht wie auf Befehl,“ kämen die Teilnehmer zusammen, sondern mehrere Tage würden „ungenutzt verstreichen“, bis das Thing vollzählig sei, hieß es in Rom. Hier wir der typische Gegensatz zwischen dem Zeitgefühl der hochzivilisierten Leistungsgesellschaft und dem eines einfach lebendes Volkes sichtbar, das lässiger mit seiner Zeit umging. Wie der heilige Bezirk oder Hag, wurde jede germanisch-keltische Volks- oder Gerichtsversammlungen in feierlicher Weise „eingehegt“. Pfähle, Pflöcke oder Stangen, meist aus Haselsträuchern, wurden eingeschlagen und mit Seilen verbunden, was man als „das Thing (Ding) spannen“ bezeichnete. Mit rituellen Fragen wurde jedes Thing eingeleitet und damit seine Rechtmäßigkeit vor der Öffentlichkeit festgestellt.

Die Schwierigkeit, ein genaues Bild zu bekommen, ob die Germanisch-Keltisch-Alemannischen Stämme ursprünglich eine Volksdemokratie der freien Männer oder ein von einer Oberschicht manipuliertes Volk waren, hat sich heute als fast schon politische Frage zu einem Philologenstreit zugespitzt. Überliefert sind aus dem nordgermanischen Raum spätere Formen des Things, Volks- und Gerichtsversammlungen unter freiem Himmel, auf Hügel oder auf Baumkuppeln, abgehalten im Schutze des Thingfriedens.

Unterschieden wurde nach Echtem Thing, der in bestimmten Abständen an gleicher Stelle erfolgenden Versammlung; und dem gesonderten Gebotenem Thing (Botding). Wer nicht empfindsam genug für den Gemeinschaftsgeist, wurde von den anderen ignoriert und vom Thing bzw. vom Götterdienst des Gemeindewesens ausgeschlossen. Begriffe wie Burgthing, Bußding, Thinghöfe, Thinghofherren, Thingvögte, Thingflüchtigkeit, Landes- und Gauthing charakterisieren das weite Spektrum später Rechtspflege durch die öffentliche Versammlung.

Nachdem das ohnehin lose Bündnis der keltisch-germanischen (und gallisch-bretonischen) Stämme zerbrach, errangen die Römer den Sieg über die Kelten. Diese huldigten - obgleich weitgehend vom Römischen Reich einverleibt - weiterhin ihren eigenen Göttern und Göttinnen, bis das die Christen in Rom offiziell anerkannt wurden. Rom ließ auf der Kuppe des Heiligenbergs einen Jupiter-Tempel mit zehn Meter hohen Säulen errichten, auf denen der neue Solare Gott thronend einen Drachen übermannt: ein Sinnbild des Siegeszuges der Christenheit gegen die alte Religion. Auch christlicher Mönche trachteten begreiflicherweise danach, die Überreste der als heidnisch erachteten, zu überwindenden Religion und Glaubenswelt an sich zu ziehen. Sie setzten der ursprünglich verehrten Göttinnen-Kraft, ebenfalls ihre Klöster und den Erzengel und Drachentöter Michael als Schutzpatron entgegen.

Nachdem verklärte arische Vorstellungen auch in Heidelberg zur Planung und zum Bau einer modernen Amphibientheater-ähnlichen Thing-Freizeitanlage geführt hatten, diente diese Thingstätte ab 1935 als Propaganda-Apparat und frühes Massenmedium. Hier wurden Helden- wie Feindbilder dargestellt und von paramilitärischen Aufmärschen der Nazis umrahmt.

Als Gegenpol hierzu folgten in den Sixties und den neunziger Jahren die Hippies und Blumenkinder, die Waldkonklaven der Öko-Saboteure, globale Meditations- und Aktivierungs-Kampagnen (16.8.1987, 11.1.1991 und 23.1.1997) sowie die Walpurgisnachts-Feier; das alt-keltische Beltane-Fest der Neuen Heiden. Und es wir gemunkelt, Johann von Goethe, dessen Faust von Mephisto zur Walpurgisnacht auf den Harzer Brocken-Berg geführt wird, damit er sein Gretchen vergisst, sei mit dafür verantwortlich, das der alte Kult im Kleid des Walpurgisbrauchs überdauern, sich entwickeln und verbreiten konnte

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