Ein offener Brief

- ... an die Naturschutz- & Künstlergruppen, Kinder jeden Alters, Jugendlichen, Erzieher, Mitbürger/innen, Senioren, Politische Entscheidungsträger, Bürger- und Bürgerinnen, Bewohner und Liebhaber unserer Stadt und Gemeinde Heidelberg.

BETRIFFT: Brauchtumspflege der Heidelberger Walpurgisnacht auf der Thingstätte

Das folgende an Sie gerichtete Rundschreiben möchte uns als Gemeinschaft die Notwendigkeit zur „Entwicklung eines Konzepts zur selbstorganisierten Ausrichtung“ und zur „Erstellung eines offenen, gemeinschaftlich initiierten Rahmenprogramms zur Walpurgisnacht auf der Thingstätte“ ans Herz legen.

Das alljährlich stattfindende Happening zur Walpurgis-Nacht ist eines der wenigen ursprünglich heidnischen Volksfeste, das die Christianisierung überlebt hat. Es beginnt sich als solches ab 1994 mit einer Handvoll Trommlern und Sinnsuchenden erneut zu formen und zu wachsen. Nun, fünf Jahre später drohen stetig ansteigende Besucherzahlen den ursprünglichen Flair der unorganisierten Veranstaltung zu sprengen und bringen die Stadt Heidelberg und ihre Kulturbeauftragten in große Bedrängnis. Hinter versicherungstechnischen Aspekten und der Müllproblematik, stellen sich Bürger, Stadt und Presse die alle bewegende Frage: Wer ist dafür verantwortlich, dass alljährlich 20.000 Menschen, Studienkollegen teils aus anderen Bundesländern, Freunde und Verwandte angereist kommen. Was bringt sie dazu, in Heidelberg einkehren, sich mit Getränken eindecken, um sich in der Walpurgisnacht am 31.März, dort oben auf der Thingstätte un- bzw. selbstorganisiert und ohne Ausbruch von Gewalt zusammenfinden? Was vermag dieses sozialpolitische und kulturelle Potential zu formen, ganz ohne PR-Kampagnen, Werbung und Veranstalter?

Zweck und Inhalt des Phänomens bezeichnete der Schamanenwissenschaftler Dr. Terence McKenna, ein Romantiker und Kollege, der Heidelberg wiederholt besuchte, als „das Wiederaufflammen eines unterdrückten menschlichen Verlangens, das Bewusstsein aus seinem unnatürlichen egozentrischen Zustand zu befreien.“ Als Gründer der Pyromania Arts Foundation und Herausgeber des Rave New World Magazins RNW, wurde mir die Aufgabe übertragen, als Stimme des (auch in unserer Gemeinschaft zum Ausdruck kommenden) „Archaischen Revivals“ im Frühsommer 2002, in einer Presse-Berichterstattung klarzustellen: „Der Kult ist ein outdoor happening mit heidnischen Tendenzen und so ist unser Treffen zur Walpurgisnacht ein Ausdruck des boomenden Archaischen Revivals (...) Heute betrachten die Vertreter der neu-heidnischen Bewegungen die Thingsstätte als einen Ort der Kraft an dem wir soziale Kompetenz abseits von Schulhöfen und Kulturzentren erlernen indem wir uns mit Mutter Erde und den globalen Themen von Familie, Wurzeln und Selbstregeneration verbinden.“

Die Kinder der Hoch-Technologie und mit Fernsehern aufgepäppelte Babyboomer - sind befähigt sich der Evolution gemäss zu entwickeln und sich den in Körper/Erde/Bewusstsein eingebetteten, authentischen Informationen und Fähigkeiten zuzuwenden, um die (seit 2000 Jahren von der Kirche als Teufelswerk verschrieene!) symbiotische Beziehung zwischen Mensch, Natur und Maschine zu erfahren!

Doors Of Perception Ethic Commitee, Heidelberg 2003

 

Der historischer Hintergrund

Bis vor dreißig Jahren, als die Hippies der Flower-Power Generation den Todesstoß versetzt bekamen, wurde die korrekte Seinsweise der Jugend als Hoffnung und Gewissen der Kultur (wiederholt und systematisch) von ihren historischen Wurzeln abgespalten! Und das bezieht sich auf kulturelle, traditionelle Wurzeln, die über die Punks, Hippies, Rebellen, Beatniks, Bohemiens, die Sozialisten, Romantiker, Alchemisten, die Quäker, Hexen und die Häretiker und Philosophen, bis ganz an die Wurzeln, zu den europäischen Schamanen, den Druiden und Heiden zurückreichen.

Entsprechend ist das Thingstätten-Fest zur Walpurgisnacht nicht ohne weiteres nur durch allgemein überlieferte, gesellschaftliche Maßstäbe zu bewerten. Haben wir doch vergessen, dass die Begründer und die Ideengeber unserer abendländischen Kultur, über 2000 Jahre hinweg bevor christliche Barbaren den Tempel zerstörten, auf der heiligen Strasse von Athen nach Eleusis pilgerten, um dort, im Rahmen zeremonieller Mysterienkulte dem „göttlichen Mysterium“ näher zu kommen bzw. darin zu versinken. Obgleich sich unter den griechischen Männern und Frauen, welche die von den Mysterienspielen ausgehende Kraft erfuhren Aristoteles, Platon und Sokrates und andere befanden.

Im dritten Reich hingegen, beriefen sich extrem nationalsozialistische und fremdenfeindliche Weltanschauungsprogramme auf eine (mehr konstruierte als historisch belegte) „germanische Mythologie“, um die Wahnsinnsidee der Überlegenheit der „arischen Herrenrasse“ zu belegen.

Binnen nur drei Jahren (1932-35) ließ das Propagandaministerium auf dem Heiligenberg durch den Arbeitsdienst, sowie der Hitler-Jugend und den Bund deutscher Mädchen die Thingstätte errichten, um darin paramilitärisch anmutende Thingspiele abzuhalten und das Volk auf den Feind einzustimmen.

In Anbetracht dessen, dass die Zeit des totalitären Regimes nicht nur die von ihnen okkupierten Ruinen und kultischen Plätze, sondern ebenso zahlreiche Narben auf dem kollektiven Gewissen hinterlassen hat, sollten wir - gerade in diesem Jahr, da sich der 60. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto nähert - im Walpurgis-Kult, einen Versuch der Annäherung sehen. Es ist bei weitem nicht zu früh für eine Begegnung mit dem durch NSDAP-Propaganda geschundenen Geist und dem verfälschten historischen Hintergrund, noch zu spät für eine Suche nach dem Sinn, unserer ursprünglich in der Tradition verankerten Wurzeln. Es scheint immens notwendig und zudem an der Zeit, dass wir uns den authentischen Inhalten der Ur-Kulte und Kulturen (gerade der Jugendkultur) wieder zuwenden. Als Gemeinschaft sollten wir diesen Prozess wertschätzen und entsprechend unterstützen, was die Grundlage für dieses Schreibens an sie darstellt. Das Internetportal: www.dieneueenergiebewegung.net bildet somit eine Brücke zwischen Natur, Öffentlichkeit und Politik.

Schon für unsere keltisch germanischen Vorfahren war das Thing (Ding) der Name für eine eingehegte Versammlungsstätte. Zu großen gemeinsamen Feier- und Weihestunden, wurden hier das Volk und Abgesandte der verschiedenen Klans und Stämme zum Austausch zusammengeführt, sei es für den germanischen Volksbrauch des Sonnenwendfestes oder aber um wichtige Besprechungen, Schaukämpfe abzuhalten, oder Rituals zu praktizieren.

Die sich zur Jahrtausendwende versammelnde Jugendbewegung zählt, durch den Gebrauch von bewusstseinsverändernder Technologie und mustererkennungs-fördernder Technik wie Fernseher, PC, Internet, elektronischer Tanzmusik und schamanischer Trance-Technologie zweifelsohne zu den sensitivsten Bewegungen in der modernen Welt. Wie die nomadischen Open Air „Partys“, bildet auch die Walpurgisnacht ein Forum für Massentherapie und planetare Veränderung, da diese Versammlung auf ihre Art mit einem schamanischen Workshop verglichen werden kann. Es sind heidnische Zusammenkünfte, die uns lehren einfach-zu-sein, da sie Einlass gewähren, hinein in die ich-entgrenzende Erfahrung des „anderen“ und hinein in die mystische Verschmelzung und kontemplative Erfahrung der Schöpfung... der Einheit allen Seins.

 

Die Zeichen der Zeit

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts zählen wir zu den Mitgliedern der überstimuliertesten Gesellschaft auf der Erde. Mit dem Tempo unserer bit-pro-minute Gesellschaft, steigt die Zunahme von Kindern mit Psychosen oder Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, jugendlichen Sinnsuchern, Aussteigern, Sucht-gefährdeten und Amokläufern drastisch. Doch, haben all diese Heranwachsenden wirklich Verhaltensstörungen oder sind sie gar krank, wie Ärzte es schnell behaupten, oder ist es die Gesellschaft, die mit ihrer aufwachsenden Jugend - ihrer Zukunft so umgeht und diese Symptome hervorruft!?

Jugendliche greifen immer früher nach den einstigen Privilegien der Erwachsenen-Welt. Doch die Welt der Erwachsenen bietet kaum Möglichkeiten, kaum Freiräume zur selbstständigen Entwicklung von Verantwortung und Selbstständigkeit. Sie bietet keine wahrhaften Vorbilder, Grenzen oder Utopien und keine oder allenfalls noch materielle Werte. Fehlen jedoch Anreiz und Orientierung in der Gemeinschaft, kann die Umbauphase Pubertät zu einer ernsthaften Krise werden. Diese Krise kommt zum Ausdruck durch Gewalt gegen sich selbst und andere. Auch pathologische Anzeichen wie Lethargie treten dort zutage, wo das Individuum keine Resonanz dazu verspürt, ob..., wofür... und wie... es sich anzustrengen lohnt.

Obgleich sich unser Leben in der westlichen Welt also auf einem bisher nie da gewesenen Niveau von Wohlstand und sozialer Sicherheit vollzieht, nehmen dennoch Stress, Angst, Depressivität und Suchtverhalten zu. Es liegt nahe, diese Phänomene maßgeblich als Reaktion auf die Komplexität der postmodernen Gesellschaft zu verstehen. Wählen zu können, gilt soziologisch als das entscheidende Charakteristikum der Moderne. Ständig sind wir umgeben von einer Vielzahl von Möglichkeiten, von einem Überangebot von Waren, von Informationen und von Möglichkeiten, unser individuelles Leben zu gestalten. Wir können nicht nur zwischen vielen Konsumangeboten, vielen Berufsmöglichkeiten, vielen Formen der Freizeitgestaltung wählen, sondern auch zwischen verschiedenen Lebensformen und Weltanschauungen.

So sind die Beispiele für die Gründe der Zukunftsangst bei Jugendlichen zahlreich. In dieser Angst um die Zukunft äußern sie den Verdacht, dass die Erwachsenen, die heute die Entscheidungen für die planetare Zukunft treffen, ihrer Verantwortung für die Erhaltung menschenwürdiger Lebensbedingungen nicht gerecht würden. Auf der anderen Seite seien sie selbst von wirklicher Mitsprache und Mitentscheidungen ausgeschlossen, obwohl sie diese sich abzeichnenden bedrohlichen Fehlentwicklungen - Stichworte Atommüll, Genmanipulation, Finanzkrise, globales Missmanagement (Kriegstreiberei) - „auszubaden“ hätten. Wir sollten nicht die Heranwachsenden innerhalb der Randgruppierungen als diabolisch betrachten, sondern den profitbringenden Deal, zwischen Alkoholkultur, Popmusik und medialer Gleichschaltung. Ein Deal der darauf abzielt jugendliches Alarmverhalten glatt zu bügeln um (uns?) vor der Aufdeckung familiärer und gesellschaftlich unbequemer Tatsachen (und ihrer Problemlösungen) zu „bewahren“.

Als Universitätsstadt sind wir im Besitz der Ressourcen, wie der zeitlichen und geistigen Mittel und als Agenda 21-Kommune sollten Bereitschaft zeigen, uns mit den überaus komplexen Zusammenhängen auseinander zu setzen, die bei den multikausalen Symptomen, die unsere Jüngeren an den Tag legen, eine Rolle spielen: Jugendliche beobachten den kulminierende Krieg zwischen transnationalen Firmen und souveränen Staaten. Sie erkennen, dass diese globalen Multimilliarden-Dollar-Monster-Organisationen von jedem Staat unabhängig, von keinem Parlament zu kontrollieren und keiner Institution zuzurechnen sind, welche die eigentlichen kollektiven Interessen der Menschen vertritt!

Dass Machtkonzerne die grundliegenden politischen, ökonomischen und militärischen Entscheidungen unserer Staaten untergraben, sich Saatgut, Erbinformationen und Rohmetalle patentieren lassen, die Lebensmittelpreise kontrollieren, Wahlergebnisse fälschen und bis zum heutigen Tage Politiker und Kriegstreiber finanzieren..., ist der wohl gewichtigste Grund, warum konventionelle Anziehungspunkte wie Kirche, Partei und Jugendverbände bei den heute Heranwachsenden stets weniger bis gar kein Interesse wecken.

Und wenn sich das Jahr hindurch, vorrangig naturverbundene Jugendliche an zahlreichen Kraftplätzen Europas und der Welt treffen und gemeinsam ihre Hoffnung und Freude zum Leben zum Ausdruck zu bringen und Bürgerkinder auf den Strassen Heidelbergs für mehr Freiräume demonstrieren und über 1 Millionen Menschen sich auf den Weg zur Love Parade nach Berlin machen und zu elektronischer Musik für Frieden, freie Entfaltung, künstlerischen Ausdruck und für Essen für die Welt demonstrieren - und in der andererseits, die Zahlen jugendlicher Selbstmörder und Amokläufer zunehmen - stellt sich die drängende Frage: Was ist los mit unserer Jugend? Ist der nonkonforme Jugendliche gar unser Frühwarnsystem, das Streichholz als Anzünder im System? Was ist los mit unserer Gesellschaft, in der unlizenzierter Spaß unerwünscht ist und nur noch Leistung zu zählen scheint? „
„Erfolg und Leistung sind die letzten Maßstäbe dieser Gesellschaft. Das Netz, das die Gewalt bändigen soll, ist brüchig geworden, die Tradition hat keine Bindekraft mehr. Wo ist der Raum für Muße, Fantasien und Träume? Wo erziehen wir unsere Kinder?“

 

Die Jugend als Hoffnung und Gewissen der Kultur

Die alltägliche Wirklichkeit ist sehr verführerisch, wir waren lange Zeit an sie angekoppelt - obgleich ihr parasitäres Erscheinungsbild und ihr herzloser Umgang mit der Biosphäre, rücksichtslos und losgelöst von der planetaren Ganzheit und abgetrennt vom Quellbewusstsein operiert. Wir alle sind unmittelbar von den globalen Auswirkungen der Tatsache betroffen, dass die Konsensrealität ihre Aufgabe verfehlt hat.

Und so hat jede Jugendkultur (auch ohne Manifest) ihre eigenen Ansprüche und ihre eigene politische Wirkung. Eine unzufriedene Jugendgeneration, die gesellschaftliche Missstände erkennt und dagegen anzugehen versucht, stellt für die etablierte religiöse und die staatliche Ordnung seit jeher, eine enorme Bedrohung dar. Das liegt maßgeblich darin begründet, dass Gesellschaft und Staat, sich ihrer Umwandlung entziehen. Weil „Gesellschaft und Familie“ selbst in Zeiten von Wandel und Neuerung, nicht bereit sind sich der Flamme der Läuterung zu überliefern, wird der auffällige Jugendliche, als sensibelstes Glied und sofort und heftig reagierendes Frühwarnsystem innerhalb des gesellschaftlichen Organismus, zum Blitzableiter gemacht.

So konnte über Generationen hinweg die Weitergabe kultureller Werte, des gängigen Weltbildes, veralteter Gesetze und Pflichten bis zur Moral gesichert werden. Denn schließlich ruht - damals wie heute - im Geist der Jugend der Fortbestand unserer gesamte ‘Kultur-Maschinerie’. Darin liegt auch die Erklärung für die Werbe-Schlacht um vorrangig jugendliche Zielgruppen und um die geballte Kaufkraft von Teenagern: Die notwendige Basis für den Aufbau jener Welt, von der Technokraten „träumen“, liegt in der Vereinnahmung des Teenager Geistes! „Doch der Geist des Lebendigen; der Geist der Erneuerung ist wieder lebendig und er wird nie lange zu unterdrücken sein, egal wann und wo. Nun nach dreißig Jahren und vielen Veränderungen erscheint er wieder unter uns und sagt: “Wir wollen den Werten des Materialismus, den Werten des Egos und den Werten, welche die Gemeinschaft trennen und zerbrechen, nicht weiterhin dienen!“

Terence McKenna, Mannheim 1998

 

Vermisste Übergangsrituale der Jugend

Für jede Generation stellen sich an der Grenze zum Erwachsen werden die Fragen nach der Zukunft mit aller Schärfe. Wie wird es weitergehen? Wer werde ich sein, wenn ich die Schwelle zum Erwachsenalter überschritten habe? Nach Erfurt war die Öffentlichkeit (seit langem) erstmals wieder bereit, sich dem Geisteszustand Ihrer Heranwachsenden zu zuwenden.
Dabei wurde der Prozess der unsere Gesellschaft im innersten antreibt und zugleich zu sprengen droht, als neuer Leistungswahn und latent hysterische Abstiegsangst beschrieben und zugleich als gnadenlose Jagd nach Vorteilen durch Steuerbetrug und Korruption: “Da alle den Göttern abgedankt haben, der Christengott nur mehr an Karfreitagen in Bachs Passion Laut geben darf, da der Gott der Heiden, der einst in den Künsten, in den Riten, in der Muße seine traditions-mächtige Verführungskraft zeigen konnte fast allerorts allseitiger Nutzung und Vermarktung preisgegeben ist, bleibt als letzter nur der Gott des Geldes. Wer ihm nicht dienen will, muss sehen wo er bleibt.“

In traditionellen Gesellschaften unterzieht man die Heranreifenden einer Serie von Prüfungen und magischen Initiationsritualen. Mitunter werden Hungerkuren und körperlichen Strapazen angeordnet oder Drogen verabreicht. Was man gewesen ist, ein Kind, wird vergessen, das Alte losgelassen und das Neue integriert, um in die Gesellschaft als Erwachsene aufgenommen zu werden. Für das Selbstverständnis und diese Art von Rebellion sind Jugend- und Subkultur so enorm viel wichtiger, als politische Programme und Erklärungen! Und sie liefern vielschichtige Beiträge; von der Musik, vom Lebensgefühl, der Veränderung und Interaktion im Alltag und im Sozialverhalten. Auch das Archaische Revival, dem ja auch die Walpurgisfeier auf der Thingstätte zuzurechnen ist, sieht seine Aufgabe darin, durch kulturell ausgemerzte Übergangsrituale, wieder liebende und wahrheitsfähige Menschen hervorzubringen und menschliche Erfahrungsräume aufzubauen, in denen eine klare, unzweideutige Rede wieder möglich und geschätzt wird.

 

Eine Neue Energie Bewegung

Wir sehen, der Mensch lebt nicht von Brot allein, sondern braucht die Götter, den Olymp des Grandiosen und Schönen, des Eleganten und Generösen, des Erhabenen und Graziösen - kurz: er braucht Dinge, die den Alltag transzendieren, zu denen man aufschauen kann, die das Leben lebenswert machen. Er braucht den Traum von der Größe und Würde des Menschen und die Sehnsucht nach höheren Existenz- und Ausdrucksformen. Der vielleicht letzte deutsche Kultursoziologe alter Provenienz, Nicolaus Sombart, hat es so formuliert: „Man kann jede Gesellschaft danach definieren, in welchem Maße es ihr gelingt, die höheren Sphären zu erhalten und damit die Phantasie und Willenskraft.

Im 17. Jahrhundert wirkten von Heidelberg aus - durch die Liebe zwischen Elisabeth von England und dem jungen Bohemien Friederich V. und die Errichtung des „Hortus Palatinus“ angezogen - Alchemisten daran mit „Mutter Europa aus der Zeit der Dunkelheit und des Barbarei zu befreien und die frühe Menschheit zu spirituellem Wachstum und Erwachen zu führen, hin zum Ideal einer Heiligen Harmonie“. Unsere ortsansässige Pyromania Arts Foundation steht - als Schnittstelle zur techno-schamanischen Cyberculture und neu-heidnischen Netzwerken - ebenfalls in jener philosophischen Tradition, die darauf abzielt den verbleibenden Hunger in uns in einem Prozess alchimistischer Verwandlung zu transformieren, um Reichtum in Geist zu verwandeln, Macht in Schönheit und Materie in Abbildungen göttlicher Vollendung. Als Bewusstseinsforscher erkennen wir, das sowohl die Thingstätte als heimischer Ort der Kraft, als auch der Ritus der Walpurgisnacht-Nacht einzigartige Möglichkeiten bergen. Zum einen befähigt uns der Volksbrauch, soziale Kompetenz abseits von Schulhöfen, Kulturzentren und Kneipen zu erlernen und des weiteren bietet es uns eine Möglichkeit uns mit Mutter Erde und den globalen Themen von Familie, Wurzeln und Selbstregeneration verbinden. Selten noch wird modernen Menschen zwischen Jugend- und Erwachsenwerden, das Ihnen verwehrte Übergangsritual so selbstverständlich zugänglich.

Hier auf der Thingstätte zur Mainacht hingegen wurde es wieder lebendig, durch Bilder und Wachsamkeit und vertraute Gefühle, die aus der primären Verbindung zu den Elementen der Natur, wie zu-ein-ander und zum eigenen Wesenskern entwachsen. In diesem begrenzten Zeitraum und an diesem ausgewählten Ort, funktionieren wir auf der Ebene der Gemeinsamkeit und leben ein neues Wertesystem, eine neue Ethik und neue Verhaltensweisen. Hier wird der Ausdruck einer Suche nach der Verwirklichung des Traums einer konkurrenzlosen, liebefähigen Gemeinschaft, energetischem Austausch etc. offenbar - jenen Inhalten, die durch archaische Riten und Mythen überliefert werden.

Um diese äußerst selten gewordenen Momente von wahrem Wert - für die Gegenwart und die Zukunft der menschlichen Gemeinschaft - zu bewahren, beruht unser Anliegen darin, bei „Kindern jeden Alters“, allen Mitbürgern, Stadt und Gemeinde, sowie Künstler- und Naturschutzverbänden kommunales Interesse und darüber hinaus die Bereitschaft anzuregen, die Jugendkultur als Aushängeschild und wertvollen Teil der Gesellschaft zu erkennen. Das würde den grün-holistischen Flair Heidelbergs und den zeitgemäßen Geist der Romantik ebenso zu wahrer Blüte führen, wie die Einsicht, dass die heimische Jugendkultur und die ihr zur Verfügung stehenden technologischen Mitteln, die so dringlich benötigten neuen Denkansätze wie Lösungen liefern kann.

Als Universitätsstadt sind wir im Besitz der Ressourcen, der zeitlichen und finanziellen Mittel und als Agenda 21-Kommune sollten Bereitschaft zeigen, uns mit den überaus komplexen Zusammenhängen auseinander zu setzen, die bei den multikausalen Symptomen, die unsere Jüngeren an den Tag legen, eine Rolle spielen. Als Stadt und Kommune, deren Etikett für die „deutsche Romantik“ bürgt, könnten (durch gemeinschaftliche Arbeit) verschiedene Wissenschaftler, Verbände, Trancetechniker und Schamanenexperten, Ethnologen-, Musik-, Tanz-Theater- und Kunst- und Umwelt-Gruppen, eine konstruktive Organisationb(LINK: Konzept-Skizze) des alljährlichen Thingstätte Happenings entwickeln.

In diesem Sinn, sollten wir abertausend Jugendliche Thingstätte-Besucher zur Walpurgisnacht - die ganzheitliche Werte und Menschlichkeit vertreten, nicht wie Nebensächlichkeiten behandeln, sondern als Kommune kooperieren. Denn letztlich ist es die Jugend, die das Gewissen unserer Kultur und den Hoffnung auf Wandel verkörpert. Den Wandel, hin zu einem sanfteren Weltbild und einem menschlichen Nervensystem, das zu geistiger Evolution und wahrer harmonischer Koexistenz mit anderen Rassen und Spezies befähigt ist!

Nikolaus Hiesserer, Europäisches Collegium für Bewusstseinsstudien
Im Namen der Pyromania Arts Foundation, Herbst 2002

„Wenn der Begriff Bildung mehr heißen soll, als ein gutes Abitur, dann schließt er Selbstbewusstsein und Selbstkenntnis mit ein. Nur der kann sich selbst kennen, der Träumen und Verweilen darf, der weiß wo er herkommt. Herkunft ist nie nur biologisch sondern immer auch kulturell, und wem die geschichtliche Tiefe des kulturellen Raums verschlossen bleibt, wer die Erzählungen nicht kennt, die in der Gestalt von Mythen und Märchen, von Gemälden und Büchern, von Oratorien und Liedern auf uns überkommen ist, der wird im traurigsten Sinne des Wortes seines Glückes Schmied, weil er allein mit sich selber bleibt.“

„Lasst das Wort an Freunde und Feinde ergehen, dass wir das Handtuch an eine neue Generation weiterreichen.“

John F. Kennedy in seiner Antrittsrede 1960

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