VOM STEIN DER WEISEN ZUM GÖTTLICHEN KIND


Vortrag von Boris Nikolaus Hießerer

 

Codes zur Erforschung der Prima Materia

Dieser Vortrag setzt an, die Alchemie vom Geruch des Mittelalters und dem Ruf der Scharlatanerie zu befreien. Im zeitlosen Spiegel der Wahrheit unternehmen wir den Versuch, einige Fragmente zeitloser Gnosis freizulegen. Jene Erkenntnis, in die wir eingewoben sind, wie in einem lebendigen nahtlosen Lebensgefüge. Einem elektromagnetischen Feld gleich wurde diese astrale Andersfrequenz von Schamanen, Weisen, Sehern, Magistern, Mystikern und Wissenschaftlern aller Zeitalter bereist. Sie alle sind, wie wir, den inneren Astronauten der visionären Kultur zuzurechnen.

Noch wird all das zumeist belächelt, was Alchemisten tausende von Jahren beschäftigt hielt. Doch, wenn auch nicht gleich offensichtlich, haben viele dieser leidenschaftlichen Forscher und Visionäre einen unermesslichen Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt geliefert. Für einige wenige Alchemisten, so behaupten vertrauenswürdige Quellen, wurde der Traum letztlich Wirklichkeit!

Lasst uns diesen Moment gemeinsam als magischen Augenblick erkennen! Viele MagierInnen, einige von euch unbewusst und noch etwas verträumt, sind heute hier versammelt und während der Reise durch die alchemistischen Metaphern werden sich einigen von euch Parallelen zu den seelischen Impulsen und Wahrnehmungen des eigenen Jetztzeit-Experiments eröffnen, was uns die Aktualität dieser Gesetzmäßigkeiten vor Augen führt.

Information ist, wie der Geist, das Wesentliche. Die Information ist es die reist, sich fortpflanzt, Zeiten überdauert, weiter verfolgt und übertragen wird, von Generation zu Generation. Zeitreisende Information vergangener wie zukünftiger Ereignisse die im Trägerkörper Mensch zusammenfließt. Impulse die uns Mut machen unsere Visionen zu erträumen und zu verwirklichen. Die Alchemistische Hinterlassenschaft birgt eine Vielzahl von Schlüssel. Wenn erst einmal erkannt und angenommen werden uns diese Schlüssel helfen, den menschlichen Geist aus der selbst erschaffenen, dialektisch-dualistischen Begrenzung zu befreien.

Ich beschränke mich in diesem Vortrag auf die Kernpunkte und Hauptziele des 'Opus Magnum' wie das Grosse Werk genannt wurde. Die hier Vorgetragenen Gedanken basieren auf der Studie alchemistischer Texte und eigenen Interpretationen bzgl. folgender Kernthemen:

Ursprünge der Alchemie, die Prima Materia, der Kykeon-Trank, der Stein der Weisen, das Grals-Elixier, die Ketzerei, die Fortführung des Grossen Werkes, die tantrischen Aspekte der Alchemie, die Göttin Sophia, die heilige Hochzeit, die neue Brut und Formwandler-Technologie.

 

URSPRÜNGE DER ALCHEMIE

 

Die Vorstellung der Verwandlung von Metallen zu Gold, ist uralt. Sie scheint einem tiefen Bedürfnis der Menschen zu entsprechen. Die Araber transportierten diese alte Idee nach Europa und als sie im 7. Jh. Ägypten eroberten, trafen sie auf die Meister der Goldverarbeitung. Seither hieß diese Kunst unter ihnen 'Al-Kimiya' - die Kunst aus dem Lande Khem. In der großen Bibliothek von Alexandria entdeckten die Araber alle Schriften der griechischen Philosophen, darunter auch die des Aristoteles, der im 4.Jh. v. Ch. lebte und den Gedanken vertrat, dass die materielle Welt aus einem Urstoff bestehe.

Die Manuskripte wurden handschriftlich kopiert und in der gesamten Arabischen Welt verteilt. Janbir Ibn Hayyan, einer der ersten arabischen Philosophen, leistete einen weiteren wichtigen Beitrag zur Entwicklung der alchemistischen Theorie. Er beschrieb den (nach mannigfaltigen chemischen Prozessen der Umwandlung) letztendlich gewonnenen Stoff als durchsichtig, klar und von rötlichem Glanz. Was das Mineral, den Stoff bzw. die Ursubstanz betrifft, aus dem der Stein der Weisen hergestellt wurde, so heißt es in der Handschrift 'Gloria Mundi' (1526), er sei "allen Menschen bekannt, den jungen und den alten, man findet ihn auf dem Land und in der Stadt .... niemand preist ihn, obwohl er neben der menschlichen Seele das schönste und wertvollste Ding auf Erden ist...."

 

RÜCKKEHR DES GEHEIMEN WISSENS

 

Als im 11. Jahrhundert Mönche und christliche Gelehrte der Bruderschaften die Manuskripte aus der damals noch existenten Bibliothek übersetzten, erreichte die Philosophie der Griechen zusammen mit all den arabischen Ergänzungen ganz Europa. Die Alchemie trug neue Elemente und frischen Wind in die jüdischen und esoterischen Doktrinen aus nachchristlicher Zeit. Elemente die auf Ideen der Läuterung und Veredelung im Zuge eines stufenweise verlaufenden Aufstiegs zu höheren Erkenntnissphären verweisen. Aber diese Unterströmung des abendländischen Geisteslebens deckte sich ganz und gar nicht mit den allgemein zugänglichen Lehren antiker Epochen und zählte nicht zum anerkannten christlichen Lehrgut. Ohnehin war die 'Gnosis' nur wenigen ausgebildeten Meistern vorbehalten, die ihr Wissen nicht an die große Glocke hängen durften, um nicht in den Geruch der Ketzerei zu geraten.

Es herrschte in der antiken Welt anfangs die Vorstellung einer dualistisch strukturierten Welt, in der die von Blindheit geschlagene Menschheit in Dunkelheit und Schwere ihr Dasein fristend, mit dem Reich des Geistes kämpfte. Demnach war die sichtbare Welt nicht Gottes Werk, sondern die Schöpfung eines Demiurgen, eines 'Bewirkers' aus höheren Sphären, der in der Materie die Funken göttlichen Geistes gefangen hielt. Diese sollten durch das Wirken der von höherer Erkenntnis (Gnosis) erfüllten Menschen und deren übernatürliche Helfer befreit und in das Lichtreich zurückgeführt werden. Mit derartigen Ansichten entfernten sich die bereits seit dem 2. Jahrhundert existierenden gnostischen Sekten immer mehr vom offiziell religiösen Leben. Sie begaben sich in den Untergrund, wo ihre Läuterungsideen, in 'innerer Emigration' und gut getarnt, die Jahrtausende überdauerten.

Vom 16. Jahrhundert an wurden in ganz Europa von bedeutenden Männern und deren Frauen Forschungen und Experimente durchgeführt. Zu ihnen gehören der für seine Bildung berühmte 'Albertus Magnus', ’John Dee’, Berater der Königin von England und Hofmagier am Heidelberger Schloss, sowie 'Roger Bacon', Gelehrter der Oxford University in England. Insbesondere 'Phillip Aureolus Theoprastus Bombastus von Hohenheim', bekannt als 'Paracelsus' brachte die Forschung der Pharmazie voran und seine Ideen gaben der Suche nach dem 'Elixier des Lebens' neuen Auftrieb.

Die Alchemisten begonnen damit, den 'Stein der Weisen' mit dem 'Elixier des Lebens' zu identifizieren, der Substanz, die ewiges Leben verleiht. Diese Ursubstanz, die Langlebigkeit und gar Unsterblichkeit verleihen konnte, war angeblich schon entdeckt worden. In Europa flammte immer wieder das Gerücht auf, dass ein Alchemist aus den eigenen Reihen, nämlich 'Nicholas Flamel' mit seiner Gemahlin die Unsterblichkeit erlangt habe. Europas berühmteste Astrologen Alchemisten: Agrippa von Nettesheim, Paracelsus, Galilei und Kopernikus, behaupteten in gleicher Weise, die Zukunft zu kennen, wie über den 'Stein der Weisen' und das 'Elixier des Lebens' zu verfügen.' (Arno Borst 1988)

Die immer heftigeren Attacken, die nach Zeiten der Euphorie und Entwicklung einsetzen, mögen ein weiterer Grund dafür gewesen sein, dass innerhalb von nur einem Jahrhundert eine derartige Entwicklung stattfand und dass aus der Suche, die so alt ist wie die Welt, ein derart funkelnder Meteor in der mittelalterlichen Vorstellung wurde. Und so zahlreich die Suchenden waren, die sich vom Altertum an bis heute auf die ewige 'Königin der Wissenschaften' des dreimal großen Hermes-tris-megistos berufen haben, so zahlreich sind ihre Entdeckungen.

Nebst Alkahest, den Eigenschaften der Gase und einer Vielzahl chemischer Verbindungen, stieß zum Beispiel Roger Bacon auf der Suche nach dem 'Stein der Weisen' auf das Schießpulver, und Paracelsus entdeckte, inmitten seiner obsessiven Visionen der 'Metallumwandlung', das Quecksilber als Heilmittel gegen eine der qualvollsten Seuchen des Menschengeschlechts, die Syphilis.

Natürlich existierten zu allen Zeiten, so auch in der Renaissance und im Barock zahlreiche Schwindler, die leichtgläubige Fürsten beschwatzten, sich Laboratorien einrichten ließen, einen aufwendigen Lebenswandel führten um dann bei Nacht und Nebel zu verschwinden. Meist hatten sie es verstanden 'synthetisches Gold aus geschmolzenem Blei' herbeizutricksen. Viele dieser Scharlatane endeten, früher oder später, im Gefängnis oder am Galgen.

Wie wir sehen ist die Chemie also aus ihrer Stiefschwester Alchemie hervorgegangen, die beim Streben nach dem Unmöglichen wertvolle Entdeckungen tätigte. Entdeckungen, die sich nicht auf den Bereich der Chemie reduzieren lassen. Die Autoren von Buch der Zeichen & Symbole (Winkelhofer/Biedermann 1981) beschreiben die Alchemie als Transformationsprozess: 'Die Astrologie ist mehr und etwas anderes als die Astronomie, und Alchemie ist mehr und etwas anderes als eine altertümliche, vorwissenschaftliche Chemie. Im Vordergrund ihrer Bemühungen steht der Mensch als ein in ein großes Weltganzes hinein gestellter kleiner Kosmos. Seine Gesetzlichkeit soll aus dem Makrokosmos erkannt werden, sein Inneres soll sich zugleich mit den Erdenstoffen in ein immer geistigeres Reich empör läutern und veredeln.'

Also leugnet die Alchemie die Existenz der Materie nicht. Vielmehr hat sie seit jeher versucht, ihre Gesetzmäßigkeiten zu entschlüsseln. Die Gesetzte der Geburt und des Todes, der Anziehung und der Abstoßung, der Belebung und Verkümmerung. Das will uns in Erinnerung rufen, dass der 'Stein der Weisen' - dieses 'spukhafte und seltsame' Ziel alchemistischer Wissenschaft - die materielle wie auch  spirituelle Realisation darstellt.

Der Prozess seiner Entstehung wurde umschrieben mit dem hermetischen Axiom 'solve et coagula', also dem wiederholten 'Auflösen' gefolgt von der 'Kristallisation' jener Geheimen Sache der Weisen, der Materie Prima oder des 'Philosophischen Steins'. Die anschließende 'Reinigung' durch die Kraft des Feuers und wiederholtes 'Erheben' des erwählten Subjekts, laden es mit einer magnetischen Kraft und außergewöhnlichen Fähigkeiten. Der Vergeistigung der Materie folgt eine Verkörperung des Geistigen und der Stein des Philosophen wird zum philosophischen Stein.

 

WAR UND IST DER ALCHEMIST ALSO IN ERSTER LINIE PHILOSOPH?

 

Vielleicht hilft uns der folgende Ansatz bei der Entschlüsselung des Rätsels, ob nun ein Elixier existiert, welches Menschen ewiges Leben schenken kann oder ein Stoff bzw. wundersames Pulver, dass die Fähigkeit besitzt Blei zu Gold zu wandeln.

Lassen wir an dieser Stelle den Experten Frederic Lionel zu Wort kommen. Er beantwortete die Frage, was Alchemie sei, wie folgt: "Die Alchemie ist die Wissenschaft der Wandlungen in einer sich wandelnden Welt. Vergessen wir nicht, dass Kaiser, Päpste, Heilige, Märtyrer Alchemisten waren, also Menschen, die selbstverständlich das geistig Wesentliche erkunden wollten, und nicht etwa nur das wissenschaftliche, was ja eine selbstverständliche Konsequenz dieser Forschung ist. Denn dieser Tradition zufolge ist 'alles was unten ist zugleich dem was oben ist - und das was oben ist gleich dem was unten ist'; also sozusagen ein einziges Gesetz das den Makro-Kosmos mit dem Mikro-Kosmos verbindet. Also wenn nur ein Gesetz aus allen Ebenen, den verschiedensten Ebenen, wirkt und man dieses Gesetz erkennt und ihm entsprechend handelt, ja dann muss es selbstverständlich möglich sein, ein Element in ein anderes zu wandeln und sich selbst von einer Bewusstseinsebene auf eine andere umzustellen - auf dass in der Transparenz seiner Natur, das ewig Gültige, ewig Heilige, wir könnten heute sagen, 'die Seele', strahlt - und Geist den Stoff meistert." 

 

DIE PRIMA MATERIA

 

Das 'Grosse Werk', wie die Suche nach der Herstellung des 'Stein der Weisen' genannt wurde, ist Kernpunkt der alchemistischen und hermetischen Forschung, die davon ausgeht, dass allen Dingen und Lebensformen eine 'Prima Materia', sprich ein erster, in allem enthaltender Sagen umwobener Urstoff vorausgeht. Wie der Staub aus dem wir gemacht sind war diese gewöhnliche Substanz für die Arbeit absolut unentbehrlich. Außer in allgemeinen Begriffen wurde sie jedoch niemals identifiziert.

Namen dieser 'Ursubstanz' sind Manna, Roter Leu (Löwe), Goldenes Vliess, Gral, Drache, Hermaphrodit, Karbunkel oder Karfunkelstein, runder Körper aus der Mitte, Soma, Paradiesbaum Adams mit zahlreichen Blüten, Wasser, Kaiserin aller Ehren, Sophia, Träne Gottes u.s.w. 'Die 'prima materia', wie auch das daraus gewonnene Elixier soll an die tausend Namen besitzen, von denen viele den Urstoff als auch das Elixier beschrieben. Auch die Neigung die prima materia zu personifizieren, war unter den Alchemisten weit verbreitet. Es sind gleiche Tendenzen wie in den Geschichten, in denen eine heilige Pflanze als Soma, Demeter, Agni, Shiva u.a. personifiziert wurde. Die monströse, dunkle Seite der prima materia hingegen, war so unberechenbar, dunkel und gefährlich, dass man sie meist als Schlange, Monster und Drachen betitelte. (Heinrich 1994)

Die Prima Materia muss einem komplizierten, zumeist sieben-stufigen Läuterungsprozess unterzogen werden. Dann ist der 'Rote Löwe' fertig, der 'Stein der Weisen', aus dem entweder 'Lebenselixier' gewonnen werden oder mit dessen Hilfe auch unedles Metall in edles verwandelt werden konnte. Die Siebenzahl der Stufen erinnert an die sieben 'klassischen' Planeten, welchen auch die Metalle entsprechen: Blei-(steht für)-Saturn; Zinn-(für)-Jupiter; Eisen-Mars; Kupfer-Venus; Quecksilber-Merkur; Silber-(steht für)-Mond; Gold-(steht schließlich für die bzw. der)-Sonne

 

DAS ELIXIER

 

Hatten jene die sich dem Großen Werk verschrieben die Materia Prima gefunden, galt es also in langwierigen und aufwendigen Prozessen den Lapis mineralibus, Lapis philosophorum, sprich 'Stein der Weisen' zu destillieren und 'durch die Qualen des Feuers' ein wundersames Wasser aus diesem Stein zu schlagen'. Die Alchemisten deuteten eine Vielzahl der christlichen Symbole um; INRI wurde zu Igne Natura renovatur integra, was übersetzt heißt: Durch das Feuer erneuert sich die ganze Natur). Es galt als absolut notwendig, sich 'durch das Feuer läutern zu lassen' ehe man versuchte ins Paradies zu gelangen.

So schafften es einige Alchemisten; unter ihnen auch Moses, der das Israelische Volk durch die Wüste Sinaij führte, mit Zuhilfenahme von Manna, erfolgreich Wasser aus dem feurigen Stein zu schlagen. Die geheime Flüssigkeit wurde in 'dem Gefäß'  zur geeigneten Flüssigkeit verwandelt, sie wurde zum Elixier, welches man das 'fünfte Wesen' nannte oder  Aurum potabile, Aqua permanens und Aqua divina, für dessen Aufbewahrung man das als mythologischen Gral bekannte Gefäß brauchte. Diese 'seltsamste aller Flüssigkeiten' war auch bekannt als flüssiges und somit trinkbares Gold. Andere Forscher entgegnen jedoch, Aurum sein nicht von aurum (Gold) abzuleiten, sondern von dem griechischen Wort aour (Licht) und bedeute folglich 'trinkbares Licht' oder trinkbare Lebenskraft, entsprechend Prana, Od oder Orgon. (Gebelein 1996)

Eine modernere Behauptung aus den Reihen der traditionellen Magie und Geistschulung hat eine eigene Variante des Elixiers, wonach die echten alchemistischen Lebenselixiere nichts anderes als fabelhaft zusammengestellte fluidische Kondensatoren sind, die analog den Elementen und den drei Ebenen des menschlichen Daseins hergestellt und dementsprechend magisch geladen waren. Die zum Astralreisen und zur Elemente-Beeinflussung erzeugten Elixiere, wie das 'Augenfeuerwasser', das zur Hellsichtigkeit führen sollte, beeinflussen natürlich nicht den grobstofflichen Körper des Menschen, sondern vor allem seinen Astral- und Mentalkörper. Solch ein Elixier wäre demnach nicht nur ein gutes Heil-, sondern auch ein dynamisches Regenerationsmittel.

Wie dem auch sei. Wenn das Grosse Werk gelungen war, erhielt der Alchemist das Trinkgold, bzw. den Lichttrunk. Als das wahre Universalheilmittel wurde es wiederum vielfältig umschrieben und verhüllt mit Begriffen wie lebendiger Brunnen, Elixier, Tinktur, Pancea, Blut des Erlösers oder trinkbares Gold, lebendiges Wasser der Weisheit, Aqua Benedicta, Aqua Coelestis, Paradieswasser und Jungfrauen-Milch - unzählige, aus der Vorzeit stammende und nur scheinbar wahllose Begriffe, die zur Verwirrung Nichteingeweihter und Möchtegern-Analytiker beitrugen.

 

DER STEIN DER WEISEN oder PFLANZENSTEIN

 

Schwarz, Rot & Weiß (soviel ist sicher) symbolisieren die drei Hauptphasen bei der Herstellung des 'Steins der Weisen' oder des 'Steins der Philosophen'. Jenem auch 'Pflanzenstein' genannten Ding, wurden die Eigenschaften zugeschrieben unedle Metalle in das 'perfekte' Metall Gold verwandeln zu können, in dem man der Schmelze eines unedleren Metalls ein 'rotes Pulver'' hinzufügte. Pulver, das dem Feuer wie ein Stein widersteht und von den Hermetikern wiederum 'Stein' betitelt wurde. Des Weiteren diene er als ein ewiges Licht und in Wein aufgelöst als eine Universalmedizin. Quellen sprechen davon, dass er das 'ewigen Leben' bzw. Unsterblichkeit verleihen könne.

Martin Luther selbst verglich die „begrabene und wieder auferstandene Materie auf dem Weg zum Lapis“ mit der 'Auferstehung der Toten am jüngsten Tag' und der Mystiker Angelus Silesius verwendete das Symbol des Altsakramentes: "Das Brot, der Herr in uns, wirkt wie der Weisen Stein. Er machet uns zu Gold, wo wir geschmolzen seien.... Dann wird das Blei zu Gold, dann fällt der Zufall hin, wenn ich mit Gott durch Gott in Gott gewandelt bin."

Mit ihrem Buch „Weg nach Eleusis“ stellten Carl Ruck, Gordon Wasson und Albert Hofmann (1978) die These auf, dass im Rahmen der antiken Mysterienspiele von Eleusis ein psychoaktives Sakrament eingenommen wurde. Sie sahen, wie Terence McKenna in seinem Buch „Food of the Gods“ 199? den psylocibinhaltigen und als Spitzkegeligen Kahlkopf bekannten 'Magic Mushroom' sowie den Fliegenpilz 'Amanita Muskaria' als Zutat des geheimen „Kykeon-Tranks“. Neueste Forschungen belegen, dass wir als Synonym für das BROT DES HERRN, die Mutter des LSD in Betracht ziehen sollten: den magischen Pilz Ergot, der Dr. Albert Hofmann einige seiner pharmakologische Kinder gebar und den der Naturstoffchemiker die “Mutter des LSD oder Lysergsäure-Diethylamid“ nannte.

In seinem Buch 'Die Magie der Pilze' schreibt Clark Heinrich: "Geheimhaltung war unter den Alchemisten von größter Bedeutung. Wenn sie Drogen nahmen, dann hatten sie einen guten Grund, dieses Geheimnis angesichts des gesellschaftlichen und politischen Tenors jener Zeit, die durch die Dogmen und Einstellungen der christlichen Kirche geprägt war, für sich zu behalten! Die These, die Kirche habe sich gegenüber der Praxis des Pilz-Kultes ablehnend verhalten, hätte Anspruch auf einen ersten Preis in Untertreibung. Gefängnis, Folter und Tod waren mächtige Motive für die Alchemisten, das eine zu tun und das andere zu sagen.

Die Alchemisten waren so clever, nicht nur in chemischen Begriffen eine Ausdrucksform zu finden, sondern auch in der Symbolik und Sprache eben jener Institution, die ihre Aktivitäten verdammt hätte. Es war die eine Sache zu tun, als esse und tränke man das Fleisch und Blut eines toten Prätendenten auf Gottes Thron - das taten fast alle. Aber es wäre etwas vollständig anderes gewesen, wenn Aussenstehende entdeckt hätten, dass die gleiche Gruppe Mutterkorn oder Fliegenpilz Auszüge in verschiedenen Zubereitungsformen konsumierte - möglicherweise dabei den nackten Körper mit Salben einrieb oder Urin trank (psychoaktive Wirkstoff-Reste) - und dabei die Behauptung aufstellte, so Gott besser zu erkennen.  ......die Alchemisten haben wiederholt erklärt, dass der Stein lediglich eine physische Erfahrung darstellte und dass er körperlich wie spirituell sei, was eine gute, allgemeine Beschreibung einer entheogentischen Substanz  darstellt." (Heinrich 1994). Entheogene bedeuten übersetzt: Substanzen, die das göttliche im Menschen hervorholen.

Auch die Mykologen Dr. Wasson und seine Frau, die gemeinsam mit dem Schweizer Chemiker und LSD Entdecker Dr. Albert Hofmann ein heges Interesse an Pilzen teilten, können wir als Alchemisten bezeichnen. Auf ihrer gemeinsamen Suche nach dem 'Soma' oder ‚Kykeon’  genannten Trunk, der bei den Eleusinischen Mysterien im alten Griechenland eingenommen wurde, entpuppte sich das Mutterkorn, der psychoaktive Pilzparasit am Roggen, als der potentiellste 'Kandidat'. Manche sehen in Wasson, der die altertümlichen, zuvor noch unerkannten Pilzkulte entdeckte und den Fliegenpilz als Lieferant des Soma zu erkennen vermochte, den Begründer einer neuen Religion." Wir sollten jedoch John Marco Allegro nicht vergessen, den englischen Linguisten, der im Auftrag des Pabstes die ’Qumran’-Schriftrollen vom Toten Meer dechiffrierte. In seinem Buch ’The Mushroom and the Cross’ vertrat Allegro erstmals die These, dass Jesus ein Synonym für den heiligen Pilz war.

Dr. Terence McKenna ist Mitbegründer des hawaiianischen Gartenprojekts ’Botanical Dimensions’ und Freund der Pyromania Arts Foundation. Seit Ende der Achtziger Jahre postuliert der amerikanische Biologe den psychoaktiven Pilz als fehlendes Glied in der Nahrungskette. Er war Auslöser von Sprache, Ritus und Kultur. Und keine wissenschaftliche These bzw. Ballistic-Theorie, die die Lücke in der menschlichen Evolutionstheorie schließen will, scheint nahe liegender als McKennas: "You are what you eat."  Im Phillipus-Evangelium finden wir den negativen Aspekt des dualistischen Wissens, wie folgt umschrieben: "So weigern sich die Menschenkinder, noch länger vom Baum der Tiere zu essen, der Menschen-Tiere hervorbringt." 

Und Marcel Messing schreibt 1992: Der Mensch ist das einzige irdische Wesen, das in der Lage ist, sich über seine tierische Natur zu erheben. Lässt er diese Fähigkeit brachliegen, sinkt er weit unter das Niveau eines Tieres herab und vernichtet in seinem Teufelskreis diese wunderschöne Erde, die ihm eine Mutter sein möchte. Geling es ihm aber, seine tierischen Begierden zu transformieren, kann er zum Buddha, zum Christus, zum Avatar werden. Für den, der über die Grenzen der Dualität hinausgeschaut hat, existiert die innere Gnosis - die Erkenntnis das wir eins sind mit der Schöpfung, dass alles eins ist, es einzig und allein eine Wahrheit gibt, die sich in unterschiedlichen Gestalten, Eigenschaften oder Worten manifestiert

 

KETZERTUM und HÄRESIE

 

Zurück zu dem Stein, der uns umgibt und uns zu Lichtkörpern verwandeln kann?  Versuchen wir eine neue Herangehensweise. Im Jahre 325 n.Chr. wurde das 'Konzil von Nizäum'' einberufen. Diese Deklaration wurde als das erste Glaubensbekenntnis bekannt und endete in ihrer ursprünglichen Form, mit einer offiziellen Verurteilung aller Kulte, die irgendwie im Gegensatz zur katholischen Doktrine standen. Von den Gnostikern wüssten wir heute nicht mehr all zu viel, wäre nicht im September 1945 ein außergewöhnlicher Fund gelungen; die Bibliothek von Nag Hammadi. Zwei Bauern fanden in der Nähe des gleichnamigen Dorfes, in der Nachbarschaft eines früheren pachomitischen Klosters, zwölf ledergebundene Kodizes. Sie befanden sich in einer Urne aus Ton; sorgfältig verschlossen und vergraben. Die zwölf Bände sind ein Hinweis dafür, welch großes Vermächtnis ausgezeichneter christlicher Denker dem Feuer der Pedanterie zum Opfer fiel. Denn aufgrund ihrer ketzerischen Inhalte, waren und sind diese Bücher Zündstoff. Selbst als man wusste wie alt sie waren, wurden sie von der Kirche noch über viele Jahre hinweg geheim gehalten.

Ich will gleich eine Passage aus diesem Fund zitieren – und ein paar einleitende Worte zur Ketzerei vorwegschicken. 

Die meisten der frühchristlichen Kulte der Neuzeit wichen insofern vom offiziellen Glauben ab, dass Gott männlich sei, als sie an seine Stelle eine überaus mächtige, weibliche Präsenz im Kosmos setzten … die Quelle der Erkenntnis, die Platon als das Wissen von den göttlichen Ideen, die in ihrer Reinheit nur von der körperlosen Seele geschaut werden beschreibt und die Griechen als Sophia bezeichnen. Neben ihr war der Schöpfer nur ein Halbgott voller Neid und Missgunst.

So kannten die Griechischen Mystiker und Philosophen beispielsweise gar keinen 'König Ogygos'. Ogygos ist ein weiterer fiktiver männlicher Repräsentant, dessen Name erfunden wurde, um zu erklären warum die Stadt Eleusis, der Ort an dem die griechischen Mysterien-Kulte stattfanden, auch 'Ogygiades' hieß. In Wirklichkeit gab es keinen Eleusinischen König: ELEUSIS bedeutet einfach 'DAS KOMMEN DES GÖTTLICHEN KINDES'. Und im Mythos war das Kind nicht wirklich ein Sohn des Ogygos: es war der Sohn der Königin der Insel Ogyga, namlich Kalypso. Und Kalypso war wiederum Daeira oder Aphrodite - die Weise Frau aus dem Meer und der Geist der über dem Wasser schwebt. Tatsache war, dass Eleusis, ähnlich wie Taliesin und Merlin und Llew Llaw und wahrscheinlich in der ursprünglichen Version auch Moses keinen Vater, sondern eine jungfräuliche Mutter hatten, wie auch Jesu, der fälschlicherweise als der archaische Geist, der über dem Wasser schwebte angesehen wurde. Die Gnostiker, deren Sprache das Griechische war, setzen den heiligen Geist jedoch mit der Weisheit, also Sophia gleich und sie war weiblich!

 

DIE SOPHIA

 

Nach gnostischer Theorie - die Gnostiker treten im ersten Jahrhundert vor Christie zum erstmals als Sekte auf - war Jesus in Gottes Geist empfangen, der im hebräischen weiblichen Geschlechts war und laut Genesis 1.2 'über dem Wasser' schwebte. (R. R. Graves 1948) Die 'Jungfrau Maria' war das physische Gefäß, in dem diese Idee verkörpert wurde, und Maria bedeutete für die Gnostiker 'die von Meere' oder ’Meeresjungfrau’. Sie wird verkörpert durch die blau-schwarzen Göttinen Maria, Isis, Kora, Kwan Yin, Shakti oder auch Innana, die den friedvollen Aspekt von Kali verkörpert. Mehr noch gleicht die 'Sophia' der Göttinnenfigur der  'Weissen Tara', die das Dunkel der Befangenheit aufgelöst hat. Sie stellt im Gemüte aller Schwestern und Yoginis, die urtümliche Kraft der Selbstbezwingung und Erlösung dar.

Das Elixier auch Stein der Weisen, Vater, Sohn, König, Licht; symbolisieren demnach die Sophia, die 'in die Erde oder Materie eingebettete Weisheit', die es als 'Wasser der Wahrheit' zu extrahieren gilt. Die Sophia ist der 'Geist und die Braut der Apokalypse', deren Herzquell wie ein neues 'Organ aus der Mitte' - die Geist nährende Weisheit des Gefühls und der Mitte, nicht die des Kopfes und des Oben verströmt. Sie ist nicht, wie die Grosse Mutter der Elementarstufe vorwiegend am Säugling interessiert, sondern an Menschen, welche als Ganze den Umfang des Lebendigen bis vom Elementaren bis zur Geistwandlung durchschreiten. Ihr Herzquell spricht zu uns: "und wen durstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst." Noch im 16. und 17. Jahrhundert priesen die Rosenkreuzer die Jungfrau Sophia als Die himmlische und irdische Eva, die Mutter aller Kreaturen im Himmel und auf Erden; Stern der Weisen aus dem Morgenland und Sonne der Gerechtigkeit.  

Im Bildband 'Sacred Mirrors - Die Visionäre Kunst des Alex Grey' sehen wir die menschliche 'Transformation zum Lichtkörper' bildlich dargestellt. Die in diesem großartigen Werk dargestellte Sophia, die ja die 'in die Materie eingebettete Weisheit' verkörpert, trägt ein blaues Schuppen-Kleid aus Augen und einen Embryo, dessen Kopf die Erde in sich birgt. Zwei ihrer vier Arme sind nach unten gerichtet mit uns zugewandten geöffneten Handflächen, auf denen je ein Auge im Lichtdreieck zu sehen ist. Ihr rechter Arm umfasst eine goldene Klinge um die sich die Merkurschlangen winden und in ihrer Linken hält sie eine geöffnete Lotosblüte. Ihr Kopf oder genauer ihr Antlitz ist von einem Lichtkranz umgeben, währen ihr Rumpf einer Nixe sich im dunkel anmutenden Boden verläuft. Zu ihren Füssen, je auf einem Lotus-Thron, sitzen zu ihrer der Linken die vierarmige Göttin Kali in ihrem Krieger-Aspekt, beim Liebesakt auf Shiva thronend und zu ihrer Rechten eine mit der Brust nährende Mutter, die ihre ganze Andacht dem Kind widmet, dass sie in ihren Armen hält.

Der Text zu diesem Bild wurde 100 nach Christi Geburt verfasst und entstammt dem gnostisches Gedicht 'Donner, vollkommener Geist' aus dem Codex VI, Nag Hammadi:

Ich bin die Erste und die Letzte. ich bin die Verehrte und die Geächtete. Ich bin die Hure und die Heilige. ich bin die Gattin und die Jungfrau. Ich bin die Mutter und die Tochter... ich bin die deren Hochzeit prachtvoll gefeiert wird, und ich habe keinen Mann zum Gatten genommen... Ich bin Wissen und Nichtwissen... (im Orginal ergänzend) "...ich bin die Glieder meiner Mutter. Ich bin die unfruchtbare und zahlreich sind meine Söhne... warum hasst du mich in deiner Weisheit"?

 

FORTFÜHRUNG DES GROSSEN WERKES

 

In den dreißiger Jahren lebte der Traum der Materie-Umwandlung auch in Deutschlanderneut auf. Franz Tausend, ein Münchener Chemiker, ging soweit zu behaupten dass Materie 'orchestrierbar' sei. Wenn man einem Element die richtige Substanz zufüge, müsse es möglich sein, seine Schwingungsfrequenz in die eines anderen Elementes zu verwandeln. Als Adolf Hitler 1924 wegen eines versuchten bewaffneten Aufstands inhaftiert wurde, wandte sich einer seiner Mitverschwörer, General Ludendorff, der Aufgabe zu, Finanzierungsquellen für die junge NSDAP, die Nationalsozialistische Partei Deutschlands zu suchen. Mit Erfolg, denn in Regierungskreisen munkelte man bereits, dass es einem gewissen Herrn Tausend gelungen sei, durch Elemente Umwandlung Gold herzustellen. Zusammen mit Tausend gründete Ludendorff die 'Generalgesellschaft zur Herstellung von Gold'; auch als 'Gesellschaft 164' bekannt. (Nicht ohne Grund; 164 ist die doppelte Protonzahl von Blei) Dies brachte ihnen innerhalb eines Jahres 400.000 Mark ein, die sie in die Kassen der NSDAP abführten. Im Dezember 1926 legte der General sein Amt nieder und überließ es Tausend mit den Schulden fertig zu werden.

Dass selbst in der Epoche der Vernunft und Rationalität alchemistisch laboriert wurde, beweist die große Faszination der alten Veredlungslehre, deren mystischer Aspekt gerade zu dieser Zeit paradoxerweise wieder zur Hintertür hereinkam. Die 'Fraternitas Rosae Crusis Aureae'; also die Bünde der Rosenkreuzer und der wesentlich jüngeren Gold- und Rosen-Kreuzer kultivierten ihrerseits alchemistische Ideologien, um diese in das große Sammelbecken der Freimaurerei einzubringen.

Was die 'Neuen Alchemisten' heute, nachdem sich die New Age-Bewegung auf die Suche begeben hat, die tiefere Ur-Intelligenz als Weisheit des Universums wieder zu entdecken, nannte der missverstandene westliche Mystiker Jakob Böhme den 'Urgrund aller Dinge'', die Perser nannten es 'Asa'', die Ägypter 'Ma'', die chinesischen Weisen 'Tao'', die Hindus 'Ra' und die Buddhisten 'Dharmakaya''. Den 'Spiritus Mundi', den die Alchemisten zu sammeln suchten, entspricht gleichsam dem kosmisch gesättigten 'Prana' der Inder, dem 'Orende' der amerikanischen Völker oder auch dem 'Od' des Freiherrn Carl von Reichenbach. Auch die Energie(-Quelle) 'Orgon', welcher der deutsche Psychoanalytiker Wilhelm Reich seine Studien widmete, was in den Nachkriegsjahren zur Verbrennung seiner Bücher und zu seiner Verbannung ins Exil führte, entspricht diesem Weltgeist.

Als gegen Ende des 19.Jahrhunderts die alten taoistischen und tantrischen Handschriften in Form von Übersetzungen zugänglich wurden, begann die Sexualität in der Alchemie auch in Europa erneut eine Rolle zu spielen. Die magische Gesellschaft des Golden Dawn lehrte eine Form esotherischer Verbindung zwischen Alchemie und Sexualität. Auch Karl Kellner, der 1906 den Ordis Templis Orientalis (O.T.O.) gründete, beschäftigte sich mit diesem Thema und vertiefte es. Aleister Crowley, der berühmt berüchtigte englische Magier griff die Verbindungen auf und entwickelte seine eigene Vision. Und noch ein wenig später entdeckten Psychologen, allen voran Carl Gustav Jung, die faszinierende Verbindung zwischen alchemistischer Symbolik und Sexualität.

 

ALCHEMIE und SEXUALITÄT                    

 

Ein liturgisches Zeichen der weiblichen Gnade sollte uns der Autor 'Wolfram von Eschenbach'', in seiner im 12. Jh. in alt-hessisch verfassten Grals-Geschichte ’Parzival’ hinterlassen. In der Wildenburg bei Amorbach gastierend, pflegte er das Rittertum, kannte und rief er das im Innenhof des Festsaals eingravierte, Cri genannte Losungswort 'OWE MVTER' und schrieb: 'Wir fingen ein Tier namens Einhorn das Jungfrauen am besten kennt und liebt und auf deren Busen einschläft Wir nahmen unter seinem Horne her einen prächtigen männlichen Karfunkelstein der vor dem Weissen Schädel funkelte.'  

'Alchymias Brüste' blieben Bestandteil vieler Schriften und Radierungen der Alchemisten, die zum Stein der Weisen dichteten: 'Sein Vater ist die Sonne (Sol/Jesu), seine Mutter der Mond (Luna, Maria), seine Amme die Erde (Gaia, Sophia).' So wie auf der untersten Elementarstufe der nährende Strom der Erde in das Tier und die phallische Kraft des Bruststroms in das Kind hineinströmt, so empfängt auf der Geist-Wandlungsstufe der erwachsene Mensch die 'Jungfrauenmilch' der Sophia. (Neumann 1989) Der große Schweizer Psychologe, Seelenforscher und Therapeut Carl Gustav Jung hatte ein ganz besonderes Verhältnis zur Alchemie. Seine Sammlung alchemistischer Folianten und Werke wurde im Lauf der Jahre zum wesentlichen Bestandteil seiner Bibliothek auf Schloss Küsnacht. Diese Schriften waren für den Wegbereiter der Tiefenpsychologie eine der wichtigsten Quellen für die Erforschung des Unbewussten. In einem Brief schrieb er:

"Die Alchemie ist wie die Folklore ein 'Gemälde' unbewusster Denkvorgänge. Um dieser Phänomologie wegen, habe ich mich der Mühe unterzogen, sozusagen die gesamte Tradition der alten Alchemie durchzulesen. Die Erfahrung der Alchemisten war meine Welt und ihre Welt war in gewissem Masse auch die meine. Das war für mich natürlich eine geniale Entdeckung, denn damit hatte ich das historische Gegenstück, zu meiner Theorie des Unbewussten gefunden."  

So ist auch die 'Chymische Hochzeit'  für Jung Vorraussetzung zur Ganzwerdung - der  Individuation des Menschen. Ursprünglich existiert in der hermetischen Tradition, die wir hier verfolgt haben nur ein Geschlecht, da die ur-eine Gottheit beide Geschlechter in sich vereinigt. Ziel des Adepten, sprich des  Lehrlings der Alchemie, lag in der Überwindung der Polarität und somit die Wiedererlangung der Einheit auch in der Gender-Frage. Bei der 'Inneren Alchemie' kommt der sexuellen Energie eine wichtige Bedeutung zu. So steht Conjunctio für die Vereinigung von Feuer und Wasser, wie auch die 'Chymische Hochzeit' die Vereinigung der männlichen und weiblichen Prinzipien im Androgyn oder Hermaphrodit symbolisiert.

Obwohl die alchemistische Suche eine rein persönliche Erfahrung ist, kann ein körperlich, vor allem aber seelisch im Einklang schwingendes Paar, das Ende der Herstellung des Steins der Weisen erleben. Das Paar das zur Androgynie zurückfindet kann sich die dreifache Krone des Erfolgs und die damit einhergehenden Segnungen teilen. Aus den beiden extremen Farben, dem Blau des Merkurius und dem Rot des feurigen Steins, haben die Weisen das Symbol des Veilchens abgeleitet, das den alchemistischen Rebis darstellt … die 'Vereinigung von Sonne und Mond', von männlich und weiblich - 'Soluna'.

Der Autor Johannes Fabrizius, der Mitte der siebziger Jahre bereits ein Werk zum Thema Alchemie verfasst hat, zog für seinen Heidelberger Vortrag im Sommer des Jahres 1998 zwanzig Alchemistische Holzschnitte des 'Rosarium Philosophorum (Frankfurt 1550) herbei. Mit deren Hilfe beschrieb er die drei Phasen der Zusammenkunft und Verschmelzung (Conjunction) von 'King und Queen', die mit den Farben, die der Herstellung des 'Steins des Weisen' zugeschriebenen werden übereinstimmen. Bei jeder Vermählung muss das Paar also einen festgelegten Prozess durchschreiten und in das Reich des (kollektiven) Unterbewussten hinabsteigen'. Die Schwarze Phase ist der Zeugungsakt; der 'Koitus'. Dann wird das Brautbett zum Sarg (Zersetzung), der Adept zur Mumie, wie vom Geist verlassen in der Wüste, bis das himmlische Wasser der Wiedergeburt ihn aufleben lässt.

Der Same der weißen Phase (Tod & Wiedergeburt) ist die 'Wandlung des Sarges zum Brautbett''. Sie befähigt das Paar über Wasser zu schweben. Die dritte und letzte Phase ist der Himmel des Roten Pelikans, wenn Sol und Luna aus dem Brunnen emporsteigen; in Union - auferstanden als Hermaphrodit (auch Rebis genannt), auf dem Weg zum Himmel und als Kinder Terra Gaias mit dem 'Regen des Vaters' gesegnet.

Hier endet das befruchtende Prinzip im 'Stein der Philosophen', welcher in diesem Fall die Gebärmutter (Sophia) symbolisiert. Aus dem weltlichen Uterus heraus sind wir nun neu geboren und/oder im Uterus wächst das Erbe der 'Königin und des Königs' heran. Es ist der Anthropos, der als der Geist Mercurius im Stein schläft, wie das individuelle Selbst oder die Bewusstheit, welche schon immer vorhanden war aber schlafend lag, wie ein 'Bild im Stein' (Nietzsche).

 

DIE NEUE BRUT – DAS MAGISCHE KIND EIN WECHSELBALG?

Diesen Homunkulus und zugleich 'Lapis Philosophorum', hatte wohl auch der im Mai 1997 verstorbene, einstige Harvard Professor Timothy Leary im Auge, als er von der Jugend und ihrer zeitgenössischer Kultur als 'Die neue Brut' (new breed) sprach. Leary, der sich in seinen Vorträgen wie 'From Psychedelics to Cybernetics', mit der Chaos-Kultur beschäftigte, rief als ihr Vorreiter dazu auf, möglichst viel Liebe und Imagination bei der Programmierung jener neuen Welten walten zu lassen und er tauchte mit uns in den 'Cyberspace' der unbegrenzten Möglichkeiten und erklärte den Hyperraum zum neuen Ort des 'sich Begegnens'

Ein durch Timothy Leary inspiriertes Beispiel der Cyberculture ist Mike Morgans Internet-Text 'CyberCraft'. Morgan, der sich zum Ziel gesetzt hat die Arts und Crafts der amerikanischen Wicca Tradition auf den neuesten Stand zu bringen, beschreibt anhand von Learys 8 Schaltkreise Modell die notwendige Ausrichtung auf die oberen vier Schaltkreise und die 'Darkmoor' genannte Zone des Zweifels, die es zu durchqueren gilt. Seine Beschreibung des Individuations-Prozesses, endet mit der Zusammenkunft von dem Cyberlord und der Cyberlady und dem Heranwachsen der Changelings (Wechselbalg). Wir und all jene die ihr eigenes Bewusstsein und damit ein Stück weit auch das kollektive Bewusstsein freimütig mutieren, sind die mentalen Wechselbälger dieses heiligen Paares. Und während die Zeit voranschreitet wird unsere Bewegung verschiedene Formen annehmen, indessen Lord und Lady die menschliche Gemeinschaft erwecken, formen und nähren.

In dem Sinne sind wir alle aufgerufen bewusst zu werden und die Liebe zu entfesseln, indem wir ein Rahmen-Netzwerk errichten, das unseren Kindern sowie uns selbst als jetzige sowie als zukünftige Gemeinschaft zugute kommt.' Wenn Luna und Adler die letzte Phase ankündigen, sprengt das Erbe die Zelle (den Stein) um selbst als Hermaphrodit aufzuerstehen; in die Weite des Weltalls! "Die Transmutation der Materie ist vollbracht und wer bereit ist der schreite voran – furchtlos der inneren Transformation des Geistes und dem Licht entgegen!"        

 

'FORMWANDLER TECHNOLOGIE und KÜNSTLICHE INTELLIGENZ*

 

Mit dem Boom der 'Chaos-Theorie', der 'Quantenmechanik' und der 'Neuen Physik', lebt das alte Bild einer lebendigen Erde, als 'Einheit in der alles miteinander in Verbindung steht', wieder auf. Der Wissenschaftler David Bohm prägte den Begriff Implicate Order (Eingefaltete Ordnung) und meint damit das der Materie inhärente Wissen, das auch jeder Mensch eingespeichert in sich birgt. Auch Fritjof Capra postuliert den holographischen (alles in allem) Aufbau der Materie und Rupert Sheldrake bereichert die Wissenschaft mit seinen Modellen von morphischer Resonanz und morphogenetischen Feldern, durch die Informationen übermittelt werden.

Der fraktale Aufbau der Materie und die innere, nicht stoffliche (da Welle gleich Teilchen**) Ordnung im Kosmos, die sich den Wissenschaftlern dank der neueren Elektronen-Mikroskope und -Teleskope auf atomarer und kosmischer Ebene enthüllt, lässt es zu, dass wir die Molekularstrukturen auf atomarer Ebene beeinflussen, verändern und zielgerichtet lenken können. Das heißt nicht minder, als das wir den Aufbau der Materie (Entfaltung des Traums der Wirklichkeit) jetzt selbst bestimmen lernen! Der Mensch hat die Fähigkeit erlangt, die Informations-Anordnung in einem Molekül neu zu editieren, und ein winziges Silber-Teilchen in ein Goldteilchen 'umzuschreiben', bzw. umzuwandeln.

Die größte Hoffnung aller zukunftsorientierten, wissenschaftlichen Forschung stellt somit die Nano-Technologie dar. Hier ist das Ziel die 'Verfeinerung' und 'Verkleinerung' von technologischen (Mess-)Apparaturen und Werkzeugen (Merkabah), die von Nöten sind, wenn Eingriffe auf Molekularer bzw. atomarer Ebene ausgeführt werden sollen. Die beschleunigte Entwicklung veranlasste Terence McKenna auf seinen Vortragsreisen, die bereits einige Male nach Heidelberg, die Alchemistische Heimat Friederichs V, König von Böhmen *** führten - immer wieder folgende Zukunftsvision zum Ausdruck zu bringen. Ein Grossteil unserer Technologie wird aus unserer Sicht verschwinden! Aufs Kleinstmaß gebracht verschwände sie mit Sicherheit aus unseren Augen und Ohren und überhaupt aus unserer körperlichen Präsenz.

Und der Leben verbessernde Einsatz von Mikro-Robotern und Maschinen, die wie Medizin in einem Glas Wasser aufgelöst von Patienten eingenommen werden können, um bestimmte Organe oder Muskeln im Körper zu reinigen und von innen heraus die Selbstheilung zu aktivieren, erinnert mich an eine Gespräch, in dem mir unser Co-Navigator Sir Terence Mckenna einst sagte:

 

"Der einzige Unterschied zwischen einem Computer und einer psychedelischen Droge ist,

dass der Computer zu groß ist, ihn zu schlucken.”

 

Materie zu Geist - Geist zu Materie. Ich danke für Eure Aufmerksamkeit.                   

 

 

Quelle: Der von Boris Nikolaus Hiesserer verfasste Vortrag wurde auf 'DER ALCHEMISTISCHE KONGRESS'-Tour 1998 unter dem Titel 'DIE SOPHIA'  live vorgetragen und untermalt mit Klangkollagen von Andreas Ruft aka Groove T und anschließend im Kapitel 'Der Stein Der Weisen' des CD-CDROM Sets publiziert.

 

Anmerkungen: * Flinders Petrie meint, dass 'Moses' ein ägyptisches Wort sei und 'Vaterloser Sohn einer Prinzessin' bedeute.

** 'Donner, vollkommener Geist', gnostisches Gedicht, 100 n.Chr. ... im Orginal ergänzend: "...ich bin die Glieder meiner Mutter. Ich bin die unfruchtbare und zahlreich sind meine Söhne....Warum hassest du mich in deiner Weisheit", aus dem Codex VI, Nag Hammadi. ***'Die Chymische Hochzeit' wird u.a. im DAK-Artikel 'Die Heidelberg-Prag Connection’ umschrieben.

 

Literaturangaben:

Erich Neumann 'Die grosse Mutter', AWalter Verlag 1989, ISBN 3-530-60862-9

Heita Copony 'Parzival', Aquamarin Verlag 1994, ISBN 3-89427-048-9

Robert von Ranke Graves 'Die weisse Göttin', Rohwolts Taschenbuchverlag 1984, 2280-ISBN 3 499 55416x

Clark Heinrich 'Die Magie der Pilze', Deutsche Bibliothek-Einheitsaufnahme/Die Gelbe Reihe Magnum, ISBN 3-424-01396-X

Helmut Gebelein 'Alchemie', Eugen Diederichs Verlag 1991, ISBN 3-424-01062-6

Maria Sabrina und Gordon Wasson, Videoreportage, Nachtschattenverlag 1999

Marcel Messing 'Gnostische Weisheit in Ost und West', Walther Verlag - Olten 1992, ISBN 3-530-56651-9

Alex Gey 'Sacred Mirrors', zweitausendeins Verlag 1996, ISBN 3-86150-159-7

Joseph Bergenthal 'Heidelberg Story', F.Coppenrath Verlag 1973

Franz Bardon, Der Weg zum wahren Adepten, Hermann Bauer Verlag - Freiburg i. Flensgau 7.Aufl. 1982

Impressum