Irrgärten und Spiralen

Sieben Stufen in die Innen- und Anderswelt

Seit vielen Jahrtausenden kennt die Menschheit ein charakteristischen Labyrinth: kein Labyrinth im modernen Sinn, keinen Irrgarten, sondern einen gewundenen Pfad, der rundherum in vorwärtsrichtung und wieder in die Gegenrichtung zurück verläuft, bis er nach sieben Runden zum Zentrum gelangt. Dieses Labyrinth ist sehr alt, magischer Natur und weit verbreitet. Sein Grundmuster bleibt stets dasselbe, tritt es auch in leichten Abwandlungen in Form und Ausrichtung auf. In Griechenland galt es als das Symbol für das Labyrinth von Kreta und in dieser Bedeutung auch in Pompeji bekannt, wo man e in eine Säule ritzte und mit einer Überschrift versah. Auch finden wir es bei den Etruskern oder in Indien, wo es die Festung symbolisiert, in der Ramas entführte Frau Sita gefangen gehalten wurde. Und Irland kann ein auf einen Stein aus Hollywood (Holy wood = heiliger Wald) im Landkreis County Wicklow eingraviertes Exemplar vorweisen.

Allen antiken Irrgärten war ihre Verwendung als Symbol für Jenseits- oder Unterwelt, Traum, Tod und Auferstehung gemeinsam. Schon in der babylonischen Kultur sind mit der Spirale ähnliche Gedanken verbunden. Der Turm von Babel, der „Ettemenanki“ aus Babylon, war ein siebenstöckiger Backsteinbau mit einem spiralförmigen Aufgang. Die oberen sieben (sichtbaren) Stockwerke symbolisierten im babylonischen Denken die höhere Welt des Himmels (auch heute folgen wir unbewusst der babylonischen Tradition, wenn wir vom siebten Himmel sprechen), und die (unsichtbaren) sieben Stufen in die Unterwelt. Irrgärten im allgemeinen und Troja-Burgen im speziellen, bestehen häufig aus sieben Reihen und Bögen um einen Mittelpunkt.

Die zahlreichen mittelalterlichen Rosengärten beziehen sich ebenso auf den heiligen Hag, wie die einst sogenannten Irrgärten. Sie bilden ein Motiv der sogenannten Troja-Burg, ursprünglich Hügelburgen, zu denen der Zugang über sieben Ebenen spiralförmig angelegt war. Die offene Frage ist, ob auch in späteren Hügelanlagen , wie dem englischen Glastonbury Tor, die das kultische Zentrum der Welt waren - im Zentrum der Spirale und am höchsten Punkt eine Burg, ein Wasserschloss oder der hölzerne „Irminsul“ in einem unterirdischen, tempelartigen vorchristlichen Heiligtum befand. Der sich hartnäckig haltenden Volksglaube, der Tor sei hohl, legt die Vermutung nahe, dass der gewundene Labyrinthgang in einem unterirdischen Tunnel endete. Als Hinweis dient hierbei derHolzschnitt eines alten englischen Balladebüchleins der Fortean picture Libary, auf dem links von den Reigen-tanzenden Menschen ein Zugang zu einem unterirdischen Bereich, dem Reich der Göttin.

„Troja-Burgen“ werden im Norden auch Jungfrudans(Jungfrautanz) genannt. Der Name weist darauf hin, dass ursprünglich in Form eines rituellen, feierlichen Reigen ähnelnden Brauchs die Befreiung der eingeschlossenen Jungfrau(seinerzeit Synonym für die unabhängige, machthabende, selbstständige Frau und Göttin) vollzogen wurde. Im alten walisischen Gedicht The spoils of Annwm kommt die Zahl sieben ebenfalls vor: Es erzählt von einem Beutezug König Arthurs in ein Feenland oder die Unterwelt, von dem nur sieben Männer zurückkehren. Der Name dieser Unterwelt stellt die Verbindung zur Labyrinth-Mythologie her: Er lautet Caer Sidi oder „Spiral-Burg“ und weist somit eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Caer Droja oder „Sich drehenden Burg“ auf. Waren es Einstiegszonen, an denen Eingeweihte durch spiralförmigen Tunnel in die jenseitige Traumwelt der „heiligen Matrix“ gelangen und zeitreisend das Schicksal beeinflussen konnten? Beschreibt das siebenfältige Labyrinth die Verbindung eines Hyperraum-Zugangs - eines geladenen Zentrums mit einem schwierigen, nur auf (meditativen) Um-Wegen möglichen Zugang?

Sieben galt den Kelten und Hyperboräern als heilige Zahl der von Sonne, Mond und den fünf Planeten regierten Woche. Die einzelnen Wochentage waren Kräften und Göttern zugeordnet. Sonntag stand mit den Kräften der Sonne in Verbindung, der Mondtag mit dem Mond, Dienstag mit dem Gott Thys, und Mittwoch, Donnerstag dem Gott des Donners, Thor, Freitag dem Gott Freyr und Samstag dem Saturn (english saturday).

Der Schriftsteller Geoffrey Ashe unternahm in den achtziger Jahrenden Versuch, die gemeinsamen Elemente der Irrgarten-Tradition – Spirale, Kreis, Labyrinth, Unterwelt und die zahl Sieben – durch eine neue Theorie zu erklären: die alte Weisheit dieser Mythen stammt aus einem uralten Brauchtum der Mystik, das in den Altai Bergen in Zentralasien gelegen haben soll. Die Verehrung der Zahl Sieben führte er bereits damals auf eine Verbindung mit dem Sternbild der sieben Plejaden zurück, die auch auf der Himmelsscheibe von Nebra zu sehen sind.

Die antiken Labyrinthmuster sind nicht nur Symbole urzeitlicher Kosmologie, sondern auch ein Beweis für die tiefe Vertrautheit und Verbundenheit mit den magnetischen Kräften der Erde, die Menschen vor Urzeiten besaßen und die alsbald verloren ging. Das die Kirche ihre Kapellen und Abteien an, über oder zumindest in Sichtweise dieser Labyrinthe platzierte, weist (nicht nur durch Aberglauben des Volkes) auf den vom gehegten „Wal“, dem „Hag“, den „Thing“-Stätten oder Irrgärten ausgehenden Machtbereich hin.

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